Umweltgerechtigkeit (UG) hat folgende Ziele:
- Verhinderung der Entstehung neuer Umweltbelastungen;
- Beseitigung vorhandener Umweltbelastungen nach dem Verursacherprinzip;
- gerechte sozialräumliche Verteilung nicht eliminierbarer Umweltrisiken (fair share);
- Entscheidung der Betroffenen selbst über ihnen zugemutete Umweltbelastungen (ecological democracy);
- Gleichbehandlung verschiedener sozialer Gruppen in Umwelthinsicht (fair treatment).
In den USA werden Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit bei Umwelteingriffen zunehmend beachtet. Es wurden Modelle zur Bürgerbeteiligung und sozialräumlichen Abwägung bei Standortfragen entwickelt. Die Ergebnisse sind bisher widersprüchlich, da die sozialökologische Ausgangssituation meist sehr ungünstig ist, Problemlösungen sich langsamer entwickeln als Problembewußtsein und Lösungen oft durch gegenläufige politische/ökonomische Prozesse unterlaufen werden.
Das Auftreten sozialräumlicher Umweltungleichheit und die Wahrnehmung dieses Problems sind nicht auf die USA beschränkt. Im Vergleich zu den USA bestehen bei uns aber sowohl andere Deutungen und Regulierungen in Umwelt- und Sozialpolitik, als auch eine andere Problemlage. Für soziale Gerechtigkeit ist vornehmlich Sozialpolitik i.w.S. zuständig (mit großer Bandbreite hinsichtlich Zielen, Akteuren und Handlungsebenen). Bezogen auf die deutsche Diskussion bieten etwa "Nachhaltigkeit", "Sozial-", "Umwelt-" und "Gesundheitsverträglichkeit" konzeptionelle Anknüpfungsmöglichkeiten für UG. Politisch läßt sie sich anbinden an
- Aktivitäten zu Umwelt und Gesundheit (Gesunde Städte, Aktionsprogramm Umwelt & Gesundheit, Health Impact Assessment);
- Public Health (gesundheitliche Ungleichheit, Armut und Gesundheit, Kindergesundheit);
- und Stadterneuerung (Lokale Agenda 21, Soziale Stadt, Schrumpfende Stadt).
Das Aktionsprogramm Umwelt & Gesundheit Nordrhein-Westfalen (APUG-NRW) hat z.B. UG als Querschnittsthema aufgenommen. Dabei ist folgendes zu beachten:
- oft wird das Thema UG zuerst durch Verbände, Kommunen oder NGOs "angeschoben";
- z.T. werden eigene UG-Initiativen von Kommunen mit der Wirtschaft (z.B. GNAs, good neighbourhood agreements) angedacht, ohne Vermittlung "höherer" Staatsebenen;
- oft bestehen Konflikte zwischen Behörden, Wirtschaft und (geförderter) Wissenschaft einerseits, und betroffenen Kommunen, Bürgerinitiativen und NGOs andererseits;
- oft stehen Behörden und die von ihnen beauftragten Wissenschaftler im Verdacht, Umweltbelastungen herunterzuspielen ("green-washing");
- Inhalt, Umfang und evtl. auch Ergebnis der Forschung zu UG wird durch die staatliche Förderung bestimmter Projekte und Institute beeinflußt;
- "laien-epidemiologische" Eigenforschung von Umweltverbänden, Kommunen, NGOs und Bürgergruppen wird stark eingeschränkt durch Geldmangel und Barrieren beim Daten- und Methodenzugang; "Wohlwollen" und Kooperationsbereitschaft der datenhaltenden Behörden sind oft nicht gegeben.
Folgende konkrete Handlungskonzepte sind angedacht, aber strittig:
- sozialräumliche Gleichverteilung von Umweltbelastungen?
- Obergrenzen für kumulierte Umweltbelastungen?
- Mindeststandards für Umweltqualität?
- Grundrecht auf lebenswerte Umwelt?
- Sanktionen für "übermäßige" Umweltnutzung?
- besondere Haftung von Verursachern und Nutznießern der Umweltbeeinträchtigung?
Unstrittig sind dagegen folgende Handlungskonzepte:
- Anwendung bestehender umwelt- und gesundheitspolitischer Maßnahmen auf UG, wie UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) und SUP (Strategische Umweltprüfung);
- Aufnahme von UG-Indikatoren in SBE (Sozialberichterstattung), UBE (Umweltbereichterstattung), GBE (Gesundheitsberichterstattung) und Planung;
- Schutz von (z.B. vulnerablen) Minderheiten;
- Ausweis von Schutz- und Belastungszonen;
- bei fehlenden Möglichkeiten zur Vermeidung individuelle und kollektive Kompensation Betroffener;
- Information, Schulung und weitreichende partizipation von Betroffenen.
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