Umweltgerechtigkeit


Konzept Umweltgerechtigkeit

Dank eines enorm ausgeweiteten, verbesserten und verbilligten Transports von Menschen, Waren und Dienstleistungen lassen sich Produktion, Verbrauch und Entsorgung zunehmend räumlich trennen. Viele Umweltbelastungen durch Produktion und Entsorgung sind inzwischen geographisch mobil, werden sozialräumlich umverteilt und meist konzentriert, etwa in Industrierevieren, Gewerbe- und Entsorgungs"parks". An diesen Orten kann eine Art "ökologischer Verelendung" auftreten, die Mobilitäts- oder gar Fluchtprozesse auslöst.

Die von Ulrich Beck geäußerte Annahme, Umweltbelastungen seien aufgrund globaler Ausbreitung auch sozialräumlich gleich verteilt, ist empirisch offensichtlich nicht haltbar. Stattdessen scheint in diesem Bereich die soziale Ungleichheit (vom lokalen bis zum globalen Maßstab) sogar eher zuzunehmen.

Sozialräumliche Umweltungleichheit wird bei der Umweltgerechtigkeitsdebatte nicht nur festgestellt (environmental inequality), sondern als Benachteiligung (environmental inequity, environmental discrimination) gewertet, für die diagnostische, präventive und kompensatorische Maßnahmen zu entwickeln sind.

Die für Umweltgerechtigkeit (UG) zentrale Ungleichheit inbezug auf Umweltbelastungen besteht nicht nur in sozialer oder räumlicher Hinsicht, sondern tendenziell "sozialräumlich". Das meint, daß die soziale und räumliche Dimension nicht unabhängig voneinander sind, also z.B. "Arme" nicht überall wohnen, sondern räumlich konzentriert in "Armutsvierteln", "Wohnquartieren von Geringverdienern", etc. Diese Konzentration ist das langfristige Ergebnis sozialräumlicher Segregation, durch die soziale Gruppen auch räumlich getrennt werden.

Die sozialräumliche Ungleichverteilung von Umweltbelastungen kann unterschiedlichen Verteilungs-"Logiken" folgen:


Verteilungslogik Art der Verteilung von Umweltbelastungen
politischeKonzentration in Gebieten mit politisch schwacher Bevölkerung, da dort eher durchsetzbar
ökonomischeKonzentration in unattraktiven Gebieten, da billiger (Grundstücke, Infrastruktur, Sanierung, Haftung, etc.)
technischeregionale Konzentration, da Infrastrukturaufwand geringer, Transportwege kürzer, Synergien möglich
ökologischekeine regionale Konzentration, da sonst Risiko irreversibler Umweltschäden höher, Transportwege länger
gesundheitlichekeine Konzentration bei Armutsbevölkerung, da diese von Gesundheitsrisiken ohnehin stärker betroffen ist, was das Risiko irreversibler Schäden erhöht
sozialekeine Konzentration bei politisch schwacher Bevölkerung, da dies die sozialstaatlich geforderte Angleichung von Lebensbedingungen erschwert

Die sozialräumliche Ungleichverteilung von Umweltbelastungen kann vorab geplant sein, oder dem "Weg des geringsten Widerstands" folgen, oder schließlich sich erst nachträglich herstellen, wenn nach dem Auftreten neuer Umweltbelastungen der besserverdienende Teil der Bevölkerung wegzieht. Dies wird durch weitere Prozesse gefördert:

UG bezieht sich auf

Mangelnde UG kann gesundheitliche Ungleichheit mitverursachen. Umweltbelastungen können die Gesundheit schädigen (von Asthma bis Polyneuropathie, Lärmschwerhörigkeit bis Infertilität, Chlorakne bis Leukämie). Sie beeinflussen körperliche und psychische Ressourcen, Befindlichkeit, Arbeitsfähigkeit, Lebensqualität und Sozialkompetenz.

Umweltbelastungen können selektive Mobilität ("soziale Entmischung") auslösen, zudem auf überpersoneller Ebene Investitionsbereitschaft, Arbeitsplatzangebot und soziale Beziehungen (als eine Art "soziales Immunsystem") schwächen.



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